Über Umwege an den Strand
Mit den zwölf Großraumwagen der Düsseldorfer Waggonfabrik (DÜWAG) leitete im Jahr 1957/58 die Kieler Verkehrs AG (KVAG) eine große Modernisierung und Komfortsteigerung in der Personenbeförderung ein.
Aus der Fahrzeugserie mit den Nummern 241 bis 252 ist bis heute nur der Triebwagen 241 am Schönberger Strand erhalten. Er bietet dort mit anderen Wagen aus Kiel Zeitgeschichte zum Anfassen.
27 Jahre in Betrieb
Anfang Januar 1958 bildete die KVAG das Fahrpersonal für die Großraumwagen aus, und am 14. Januar begann der Einsatz der neuen Bahnen auf der Straßenbahnlinie 1.
Es war dem Zeitgeist geschuldet, dass die DÜWAG die Fahrzeuge ab Werk mit nur einer Tür vorne ausstattete. Der damalige Fahrgastfluss sah das Einsteigen ausschließlich an der hinteren Doppeltür beim Schaffner vor, mit raschem Weitergehen in den vorderen Wagenteil zum Aussteigen. Da sich der Einmannbetrieb bereits etablierte, rüstete die KVAG ab 1966 vorne eine zweite Tür nach und machte vorausblickend die Fahrzeuge zusätzlich für eine Kapazitätssteigerung traktionsfähig. Ein solcher Doppelzug konnte offiziell bis zu 223 Fahrgäste mitnehmen, was bis zum Einsatzende im Mai 1985 auf der letzten Straßenbahnlinie 4 vielfach im Berufsverkehr übertroffen wurde.
15 Jahre außer Betrieb
Dem Triebwagen 241 blieb das Schicksal der Verschrottung erspart. Ein Gastronom erwarb das Fahrzeug und überführte es innerhalb Kiels zu einer ehemaligen Saatgutfabrik im Grasweg. Diesen Ort hatten die Straßenbahnfreunde stets im Blick. So blieb ihnen im Jahr 1986 nicht verborgen, dass der Eigentümer sich von der Bahn trennen wollte. Kurzerhand erwarb eine Einzelperson die Straßenbahn, in der Hoffnung, dass der Verein Verkehrsamateure und Museumsbahn (VVM) am Schönberger Strand die Bahn übernehme – was auch geschah.
Im März 1987 erfolgte der Abtransport nach Krummbek in eine Scheune. Hier lagerte der Verein den Wagen fast zehn Jahre ein, bis dieser im Januar 1997 an den Schönberger Strand kam. Die Transportroute auf einem Tieflader führte den Triebwagen durch sein altes Einsatzgebiet der Stadt Kiel und ebenfalls am Betriebshof Gaarden vorbei.
Wieder unter Strom
Im Sommer 1998 erfolgte die Inbetriebnahme – ohne Personenbeförderung. Doch musste zuerst das Triebgestell ausgetauscht werden. Hier konnte sich der Verein aus den „geretteten“ Ersatzteilen aus dem Wagen 243 bedienen. Dieser war nach Einstellung des Straßenbahnbetriebs von der Stadt Kiel für ein geplantes Museum für Industrie- und Altagskultur auf dem alten Geläde der HDW als Ausstellungsstück vorgesehen. Nachdem der Vandalismus dem Wagen stark zugesetzt hatte und auch das Interesse der Stadt Kiel am Erhalt verblasst war, sicherte sich im Jahr 1994 der VVM viele Ersatzteile. Der Wagenkasten ging im Frühjahr 1995 in den Schrott.
Zurück in den Personeneinsatz
Bis zum Sommer 2003 erfolgte die Aufarbeitung des Wagens durch den Verein „Freunde der Straßenbahn, Kiel e. V.“ (FSK) in Kooperation mit dem VVM. So konnten am 16. August erstmalig Besucher am Schönberger Strand den Wagen im Einsatz erleben. Doch die Freude währte nur bis in das Jahr 2008. Die permanente Abstellung im Freien setzte dem Wagen derart zu, dass ein Einsatz im Personenverkehr nicht mehr zu verantworten war. Dennoch blieb der Wagen weiter im Freien abgestellt, da es keine Unterstellmöglichkeiten gab. In den Jahren 2014/15 erfolgte eine äußerliche Aufarbeitung, um den Wagen mit Werbung zu versehen. Mit der Fertigstellung eines Tramports im Jahr 2018 gab es die Möglichkeit, auch den Wagen 241 geschützt unterzustellen. Bis auf Presse- oder Fototermine bleibt der Wagen nun in der Werkstatthalle geschützt abgestellt und wartet auf bessere Tage.
Gastbeitrag aus dem „Fahrplan“ der KVG Kieler Verkehrsgesellschaft mbH von André Hellmuth
Gastbeitrag aus dem „Fahrplan“ der KVG Kieler Verkehrsgesellschaft mbH von André Hellmuth
TITELBILD: Wenn alle anfassen, kann sich das Ergebnis sehen lassen. Die äußerliche Aufarbeitung an dem Triebwagen war im Sommer 2014 voll in Gang. Links im Bild der Kieler Beiwagen mit Nummer 80, der ebenfalls (optisch) eine Lackauffrischung erfuhr.
AFH. 2014-06-06
Im September 1961 rauscht der neue Großraumwagen auf der Linie 1 vor dem Neubau des Raiffeisenhauses durch das Sophienblatt zur „Doppelhaltestelle“ Hauptbahnhof, an der vier Straßenbahnlinien hielten. Im Hintergrund rechts im Bild, ist in der Auguste-Viktoria-Straße noch ein Wagen der Linie 7 zu erkennen, die hier ihren Endpunkt hatte.
Fritz ROTH. 1961-09-28. Archiv Axel REUTHER