Gelenktriebwagen 262, wiederauferstanden aus Schrott
Die Düsseldorfer Waggonfabrik (DÜWAG) baute den Gelenktriebwagen mit der Nummer 262 für Kiel, in einer Serie von 15 Wagen (Nr. 261 bis 275) in den Jahren 1959 bis 1961. Am 22. Januar 1960 schaffte die Kieler Verkehrs-AG (KVAG) das moderne Gelenkfahrzeug an und stellte es nach einer erfolgreichen Probefahrt am 7. März 1960 in Dienst.
Fahrgastfluss
Zum Einsatz kam der neue Fahrzeugtyp in Kiel vorzugsweise auf der am stärksten nachgefragten Linie 4 von Wellingdorf bis zur Fähre Holtenau. Am Fahrzeugende stiegen die Kieler zunächst in den Wagen ein und gingen dann am Schaffner vorbei Richtung Fahrer. Dies war der vorgesehene Fahrgastfluss. Ausgestiegen wurde durch die mittlere und vordere Tür. Dieses Konzept hatte letztmalig 1967 Bestand, seitdem fuhren die Straßenbahnen im so genannten Einmannbetrieb, also ohne Schaffner.
Kapazität
Von Anfang an hing die KVAG zur Kapazitätssteigerung auf der Linie 4 hinter die Sechsachser einen zweiachsigen Beiwagen. In einem solchen Zug fanden ca. 240 Personen Platz. Was die Gesamtkapazität der Fahrzeuge angeht, wird sich mancher Kieler daran erinnern, dass im Berufsverkehr weitaus mehr Personen mitfuhren. Ein Nachzählen der wie die Ölsardinen zusammenstehenden Fahrgäste – unmöglich.
Sichere Straßenbahnen
Die Sicherheit bei den neuen Fahrzeugen war ein zentrales Anliegen. Die Kiepe-Fahrschalter der Sechsachser rüstete der Hersteller mit einer „Totmannanlage“ aus. Eine vom Fahrer losgelassene Fahrkurbel führte dazu, dass sich zeitverzögert der Wagenautomat ausschaltete und die Schienenbremse einschaltete, was zu einer automatischen Notbremsung führte. Generell arbeiteten in den Wagen verschiedene voneinander unabhängige Bremsen:
- Kurzschlussbremse
- Schienenbremse
- Solenoidbremse (Frisch- und Schwachstromsolenoide)
- Abreißbremse (mechanisch mit Beiwagen)
- Handbremse (Seilzug)
- Notbremse (Sand, elektrisch, Handbetrieb)
Zum Rangieren besaßen alle Fahrzeuge am Heck einen kleinen Fahrschalter, der im Normalbetrieb unter einer Abdeckung verborgen blieb. Weiter gab es an allen Türen Trittstufenkontakte und Druckwellenschalter in den Gummikanten. Eine Technik, die neben Haltewunschtasten und Außendruckknöpfen zur Türöffnung bei dem Umbau zum schaffnerlosen Betrieb Anwendung fand.
Nur 25 Jahre in Betrieb
Nachdem 1967 das Einsatzgebiet auf der eingestellten Linie 1 für die Sechsachser entfallen war, fuhren die Wagen bis zum bitteren Ende auf der Linie 4, also im Jahr 1985, zuverlässig durch die Landeshauptstadt.
Blicken wir auf andere Städte, in denen dieser Fahrzeugtyp im Einsatz stand, so bringen es einige Fahrzeuge auf bis zu 50 Betriebsjahre und mehr. Auch in Kiel wäre mit Blick auf die immer klamme Stadtkasse ein nachhaltigerer Einsatz wünschenswert gewesen.
Blicken wir auf andere Städte, in denen dieser Fahrzeugtyp im Einsatz stand, so bringen es einige Fahrzeuge auf bis zu 50 Betriebsjahre und mehr. Auch in Kiel wäre mit Blick auf die immer klamme Stadtkasse ein nachhaltigerer Einsatz wünschenswert gewesen.
Museum, Verschrottung, Ausstellung (der Reste)
Am 21. Mai 1985 übernahm der Verein „Deutsches Straßenbahn Museum Hannover e. V.“ den Gelenktriebwagen 262 zusammen mit anderen Kieler Fahrzeugen und überführte den Wagen nach Wehmingen. Hier stand der Wagen ungeschützt im Freien und wurde Anfang 1998 verschrottet.
Im Zusammenhang mit der Übernahme des Salzwagens 363 aus dem Hannoverschen Straßenbahn-Museum im Sommer 2015 (siehe Fahrplan 15), entdeckte der Autor dieser Zeilen einige Reste des Gelenktriebwagens 262. Dies waren Haltestangen, Sitze, Fenster, der Heckfahrschalter, ein Türflügel und einige Kleinteile. Alles lag auf einem Haufen, der bei der Verschrottung übrig geblieben war. Nach Sichtung und Zuordnung der Teile begann das Projekt zur Rekonstruktion eines kleinen Wagensegmentes. Zehn Personen können seit Mitte 2020 im Rahmen einer Dauerausstellung zur Kieler Straßenbahn wieder in den Resten von Gelenktriebwagen 262 Platz nehmen.
Gastbeitrag aus dem „Fahrplan“ der KVG Kieler Verkehrsgesellschaft mbH von André Hellmuth
Im Zusammenhang mit der Übernahme des Salzwagens 363 aus dem Hannoverschen Straßenbahn-Museum im Sommer 2015 (siehe Fahrplan 15), entdeckte der Autor dieser Zeilen einige Reste des Gelenktriebwagens 262. Dies waren Haltestangen, Sitze, Fenster, der Heckfahrschalter, ein Türflügel und einige Kleinteile. Alles lag auf einem Haufen, der bei der Verschrottung übrig geblieben war. Nach Sichtung und Zuordnung der Teile begann das Projekt zur Rekonstruktion eines kleinen Wagensegmentes. Zehn Personen können seit Mitte 2020 im Rahmen einer Dauerausstellung zur Kieler Straßenbahn wieder in den Resten von Gelenktriebwagen 262 Platz nehmen.
TITELBILD: Fahrzeugsegment mit Sitzen/Teilen des ehemaligen Gelenktriebwagens 262. Die Beschriftung der Türseite ist dem Auslieferungszustand von 1960 nachempfunden (Wagennummer 262 und „Kein Einstieg“), während an der türlosen Seite die Wagennummer mit original Ziffern der KVAG aus den 1980ern angebracht ist. Der Heckfahrschalter ist noch in „Aufbereitung“ und wird zum späteren Zeitpunkt dem Ensemble hinzugefügt.
AFH. 2020-08-13
Bilder mit einer Straßenbahn in Kiel waren bis zum 04. Mai 1985 möglich. Hier in Gaarden in der Elisabethstraße kurz vor der Haltestelle Augustenstraße. Der Gelenktriebwagen 262 mit Beiwagen 73 war einer von vier „Zügen“, die in einer kompletten sog. Pop-Lackierung bis zum Ende der Kieler Straßenbahn unterwegs waren.
Peter HOLTORFF. 1985-02
Nach der ersten Säuberung folgte die Zuordnung der Sitze zur ehemaligen Position im Wagen. Hinter dem Gelenk, ab der dritten Tür, waren die Sitze bis zum Schaffnerplatz erhalten. So entstand die Idee, ein kleines Fahrzeugsegment mit originalen Teilen wiederauferstehen zu lassen.
AFH. 2016-03-08