Ein Salzwagen hat überlebt
Der Salzwagen 363 ist der einzige erhaltene Kieler Arbeitsbeiwagen. Nach mehr als 30 Jahren Stillstand steht er seit Ende 2016 – nach einer Rekonstruktion unter Verwendung historischer Teile – wieder rollfähig auf den Gleisen.
Wagenanschaffung
Im Kostenvoranschlag der AEG vom März 1899 und März 1900 ist der Sprengwagen mit gleichzeitiger Ausrüstung zum Schneeräumen und Salzstreuen in der Position „Rollendes Material“ mit einem Anschaffungspreis von 2.600,00 Mark aufgeführt. Er wird betriebsintern mit der Wagennummer 63 geführt.
Für die Streckenerweiterung am Ostufer zeichneten für die Fahrzeuge die Firmen P. Herbrand & Co. (Motorwagen) und die Gottfried Lindner AG (Beiwagen) verantwortlich, was nahelegt, dass diese ebenfalls die Arbeits(bei)wagen bis 1901 lieferten. Aber auch Spezialhersteller wie das Eisenwerk Gustav Trelenberg aus Breslau kamen in Frage. Dieser bot in seinem Sortiment u. a. Sprengwagen und Salzwagen mit Schneeflug an.
Für die Streckenerweiterung am Ostufer zeichneten für die Fahrzeuge die Firmen P. Herbrand & Co. (Motorwagen) und die Gottfried Lindner AG (Beiwagen) verantwortlich, was nahelegt, dass diese ebenfalls die Arbeits(bei)wagen bis 1901 lieferten. Aber auch Spezialhersteller wie das Eisenwerk Gustav Trelenberg aus Breslau kamen in Frage. Dieser bot in seinem Sortiment u. a. Sprengwagen und Salzwagen mit Schneeflug an.
Sonderausstattung
Außergewöhnlich macht dieses Fahrzeug, dass es als einziges Kieler Fahrzeug mit einem Abstreifer für die Radreifen ausgerüstet war. Der mit ca. 2,8 t. relativ leichte Wagen neigte zum Entgleisen, wenn sich Eis und Schnee an den Radreifen festsetzten. Die Abstreifvorrichtung wirkte dem entgegen und entfernte die Eisschicht. Ob sich diese Art von Vorrichtung bewährte und von Anfang an an dem Wagen montiert war, ist nicht überliefert!
Die ersten Jahrzehnte
Zunächst kam der Wagen ohne angeschriebene Fahrzeugnummer in den Einsatz, was für alle unmotorisierten Arbeitswagen galt. In den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts erübrigten sich dank befestigter Straßen die Einsätze von Sprengwagen, sodass der Wagen fortan als reiner Salzstreuwagen zum Einsatz kam.
Von einem Motorwagen gezogen, standen zwei Männer im Ledermantel und mit hochgeschlagenem Kragen auf dem offenen Wagen und schaufelten das Salz in die großen Trichter und waren dabei den Unbilden der winterlichen Witterung ausgesetzt. Im Rahmen der generellen Umnummerierung aller Fahrzeuge erhielt der Wagen 1931 die Wagennummer 92.
Von einem Motorwagen gezogen, standen zwei Männer im Ledermantel und mit hochgeschlagenem Kragen auf dem offenen Wagen und schaufelten das Salz in die großen Trichter und waren dabei den Unbilden der winterlichen Witterung ausgesetzt. Im Rahmen der generellen Umnummerierung aller Fahrzeuge erhielt der Wagen 1931 die Wagennummer 92.
Neue Wagennummer / Umbau
Nach Übernahme des Verkehrsbetriebes im Jahr 1942 durch die Kieler Verkehrs AG bekam das grau gestrichene Fahrzeug nach dem Krieg die Wagennummer 363. Ab Mitte der 1950er Jahre begann der Verkehrsbetrieb die Salzwagen (362, 363 und 364) mit einem geschlossenen Holzkasten zu versehen. Durch das Mehr an Wagenmasse waren die Radreifenabstreifer nun obsolet. In der eigenen Werkstatt entfernten die Mitarbeiter bei dem Umbau die Spitzen der Abstreifer.
Dem guten Willen der Verantwortlichen bei der KVAG, den Salz schaufelnden Mitarbeitern Schutz vor Eiseskälte mit der Einhausung zu bieten, folgte die Ernüchterung. Nur mit geöffneten Schiebefenstern an der Seite (Beladungsweg) sowie der in Fahrtrichtung befindlichen Türe oder einer Klappe reinigte die Zugluft den hohen Salzgehalt in der Atemluft. So blieb es in jedem Winter für das Personal bis 1984/85 ein eisiges Unterfangen, einen Einsatz zu fahren. An jeder Wendeschleife galt es, sich in dem hoffentlich warmen Motorwagen aufzuwärmen.
Dem guten Willen der Verantwortlichen bei der KVAG, den Salz schaufelnden Mitarbeitern Schutz vor Eiseskälte mit der Einhausung zu bieten, folgte die Ernüchterung. Nur mit geöffneten Schiebefenstern an der Seite (Beladungsweg) sowie der in Fahrtrichtung befindlichen Türe oder einer Klappe reinigte die Zugluft den hohen Salzgehalt in der Atemluft. So blieb es in jedem Winter für das Personal bis 1984/85 ein eisiges Unterfangen, einen Einsatz zu fahren. An jeder Wendeschleife galt es, sich in dem hoffentlich warmen Motorwagen aufzuwärmen.
Nach 1985
Nach der Einstellung des Straßenbahnbetriebs brachte ein Tieflader das Fahrzeug zum Hauptgüterbahnhof, wo es am 17. Mai 1985 auf einen Eisenbahnwaggon verladen und am 20. des Monats auf die Reise Richtung Hannover ging. Der Verein „Deutsches Straßenbahn Museum Hannover e. V.“ übernahm den Wagen zusammen mit anderen Kieler Fahrzeugen und stellte ihn zunächst im Freigelände ungeschützt ab. Nach Vereinskonkurs und Übernahme der Sammlung durch den Verein „Hannoversches Straßenbahn-Museum e. V.“ (HSM) kam der Wagen geschützt in eine nicht für die Öffentlichkeit zugängliche Lagerhalle.
Hier entdeckte ihn der Autor im Sommer 2014 in erbärmlichem schrottreifem Zustand. Es reifte die Idee, den Arbeitswagen in den Zustand der 1940er/50er Jahre zurückzuversetzen, um die Arbeitsbedingungen und die verwendete einfache Technik aus der Anfangszeit der Straßenbahn zu dokumentieren.
Nach Verhandlungen zur Übernahme des Fahrzeugs brachte ein Tieflader das Fahrzeug am 30. September 2015 in die Maschinenbauregion Sachsen. Ein auf Schienenfahrzeuge spezialisiertes Unternehmen rekonstruierte den Wagen unter Verwendung altbrauchbarer Teile.
Seit Ende 2016 präsentiert sich der Salzwagen „rollfähig“ in den Unternehmensräumen des Autors im Rahmen einer Ausstellung zur Kieler Straßenbahn, in der zahlreiche Exponate gezeigt werden.
Somit bleibt ein Stück historisches Kulturgut und Technikgeschichte aus Kiel der Nachwelt erhalten.
Gastbeitrag aus dem „Fahrplan“ der KVG Kieler Verkehrsgesellschaft mbH von André Hellmuth
Hier entdeckte ihn der Autor im Sommer 2014 in erbärmlichem schrottreifem Zustand. Es reifte die Idee, den Arbeitswagen in den Zustand der 1940er/50er Jahre zurückzuversetzen, um die Arbeitsbedingungen und die verwendete einfache Technik aus der Anfangszeit der Straßenbahn zu dokumentieren.
Nach Verhandlungen zur Übernahme des Fahrzeugs brachte ein Tieflader das Fahrzeug am 30. September 2015 in die Maschinenbauregion Sachsen. Ein auf Schienenfahrzeuge spezialisiertes Unternehmen rekonstruierte den Wagen unter Verwendung altbrauchbarer Teile.
Seit Ende 2016 präsentiert sich der Salzwagen „rollfähig“ in den Unternehmensräumen des Autors im Rahmen einer Ausstellung zur Kieler Straßenbahn, in der zahlreiche Exponate gezeigt werden.
Somit bleibt ein Stück historisches Kulturgut und Technikgeschichte aus Kiel der Nachwelt erhalten.
TITELBILD: Im Zustand der 1930er und 1940er Jahre präsentiert sich der ehemalige Kieler Salzwagen und lädt ein, die Technik von vor über 100 Jahren kennenzulernen. Die fehlende zweite Albertkupplung wird nachgerüstet, ebenso die Wagennummer 363 und die Besen zur Gleisreinigung.
Carsten COSTARD. 2018-02-08
Wintereinsatz in der Holstenstraße in Richtung Markt zwischen Faulstraße und Nikolaikirche in den 1930er Jahren. Im Bildhintergrund ist der Kirchturm der Nikolaikirche zu erkennen.
Mit Ledermantel und hochgeschlagenem Kragen schaufelten die Männer im Schneetreiben das Salz in die Trichter. Zur Eiseskälte fiel ihnen zusätzlich der ganze Schnee vom Dach des Motorwagens ins Genick. Heute unvorstellbare Arbeitsbedingungen.
Slg. Jörg CLASSEN. [ca. 1930er Jahre]
Günther Herbst von den Straßenbahnfreunden Mainz prüfte eingekleidet als Verkehrsmeister der ehemaligen KVAG die Funktionsfähigkeit des frisch im Dezember 2016 in Waldlaubersheim angelieferten Salzwagens. Hier am Hebel für die Abstreifer der Radreifen.
AFH. 2016-12