Fahrzeugmodell Tw 230 Oslo  
     
  Vierachsiger Großraumwagen der Osloer Verkehrsbetriebe (AS Oslo Sporveier) „Høka-Vogn“

Ein Beitrag von Patrick Hollmann (FSK e.V.)
 
   
  Das Vorbild

Diese Triebwagen mit den offiziellen Typenbezeichnungen MBO 50 / MBO 55 / MBO 56 wurden 1952/53, 1957 und 1958 in insgesamt 50 Exemplaren ( Wagennummern 204-253 ) an die Osloer Straßenbahn geliefert. Hersteller der Wagenkästen und des mechanischen Teils war die Hønefoss Karosserifabrikk, kurz Høka, lediglich ein Teil der Drehgestelle wurde vom schwedischen Waggonbauer Hägglund och Söner in Örnsköldsvik zugeliefert. Hägglund bildete dabei zusammen mit Høka eine Bietergemeinschaft, die 1950 zu einem Preis von 250 000,-- NKR pro Fahrzeug den Zuschlag für die Lieferung erhalten hatte. Die elektrische Ausrüstung stammte von den schwedischen Firmen Hägglund und ASEA. Die technischen Vorbilder für diese Triebwagen fuhren als Typenbezeichung A25 in Stockholm, bzw. als Typ M22 in Göteborg und trugen den Spitznamen „Mustang“.
 
  Die Høka-Wagen bewährten sich nach anfänglichen Schwierigkeiten (u.a. führte zunächst die fehlerhafte Einschätzung der Wagenbreite von 2,5m durch das Fahrpersonal zu Kollisionen, besonders in Kurven) außerordentlich gut und prägten nicht nur bis zur Außerdienststellung 1997 das Bild der Osloer Straßenbahn; sie haben durch ihre Robustheit vielmehr das Leben der Osloer Straßenbahn gerettet: 1960 beschloss der Osloer Stadtrat die Reduzierung des Straßenbahnnetzes auf die Linien, die mit den noch neuen Großraumwagen bedient werden konnten und die Stillegung des restlichen Netzes bei Ablauf der vertretbaren Nutzungsdauer dieser Wagen. Erst 1977 wurde dieser unsinnige Beschluss kassiert. Erst ab 1982 wurden die Wagen für schaffnerlosen Betrieb umgebaut und dabei die hinterste Tür verschlossen, später bei einigen Fahrzeugen durch ein Fenster ersetzt.

Zehn Triebwagen wurden 1985 bis 1991 in Wagen der Type S83 umgebaut: Sie erhielten eine größere, zwar nach wie vor schräggestellte, nun aber nicht mehr eingezogene Frontscheibe, je eine neue Doppelfalttür vorn, mittig und hinten und eine elektronische Choppersteuerung von AEG. So standen sie bis 2000 im Einsatz, ehe sie durch neue Niederflurgelenkwagen von Ansaldo, die sich leider bis heute mehr schlecht als recht bewähren, verdrängt wurden.

Die Motorleistung der Høka-Wagen betrug 4x45,6kW, die Wagen boten 36 sitzenden und 100 stehenden Fahrgästen Platz. Betriebsbremse war die generatorische, Feststellbremse die Druckluftbremse. Zusätzlich war eine Handbremse und vier Schienenbremsen vorhanden.
Die Türen waren druckluftbedient.

Die Wagen waren sowohl solo, als auch mit vier- (seltener zwei-) achsigen Beiwagen sehr ähnlicher Gestaltung behängt auf allen Linien unterwegs, in den ersten Betriebsjahren sogar im U-Bahn-Vorlaufbetrieb u.a. nach Lambertseter, Bøler und Kolsås.
 
     
     
  Das Modell

Wie kommt man nun ausgerechnet darauf, solch einen „Exoten“ selbst zu basteln?
Die Idee für das Modell reifte einige Zeit nach einem Oslo-Aufenthalt seines Erbauers. Diesem war nämlich bewusst geworden, dass Oslo Dank der direkten Fährverbindung Kiel wesentlich näher liegt, als gemeinhin empfunden. So kam ihm die fixe Idee, auch einen Osloer Straßenbahnwagen in seine Sammlung einreihen zu wollen, und was eignete sich da besser als der Høka-Triebwagen mit seinem „Charakterkopf“?

Der Wagenkasten wurde aus geätzten Messingblechen erstellt, die der Stabilität halber verlötet wurden. Die Ätzvorlagen wurden am Computer mit einem handelsüblichen Zeichenprogramm erstellt und in einem Kopiergechäft mit Hilfe eines Farblaserdruckers auf Klarsichtfolie übertragen. Die beidseitig fertig mit Fotolack beschichteten Messingbleche (Stärke 0,3mm) wurden, wie auch die gesamte technische Ausrüstung, von der Firma Saemann Ätztechnik, Pirmasens, bezogen.

Nach der Montage des Wagenkastens wurde das Dach aus Kunststoffguss erstellt, aufgeklebt und Scheinwerfer, Außenspiegel, Stoßstangen, Dachaufstiegsgriffe und Blinkleuchten angelötet. Das Dach entsteht dabei aus nahezu Schnellgießharz in einer Silikonform.
 
     
     
  Nach Zusammenbau, Reinigung und Grundierung wurde das Modell mit der Spritzpistole lackiert: Fensterbereich und Dach in beige, untere Wagenkastenpartie in hellblau. Die Beschriftung entstand als selbst am PC erstellter Nassschiebebildsatz mit Hilfe eines Farbdruckers und Decalfolien von Bare-Metal-Foil Co. Vor dem Beschriften wurden Stromabnehmer und Funkantenne aufgesetzt.

Das Antriebsfahrwerk basiert auf dem bewährten Roco-Straßenbahnfahrwerk und wird mit zwei Schrauben am Wagenkasten befestigt. Vorn sorgt eine Kleinstglühbirne in einem Messingröhrchen, hinten zwei rote Micro-LED für vorbildgerechte Beleuchtung.
Nachdem die Beschriftung mit Klarlack versiegelt wurde, konnten schließlich noch die Fenster mit Klarsichtfolie hinterlegt werden.

Fahreigenschaften und optische Gestaltung tragen dem Versuch Rechnung, den für den deutschen Geschmack sicher etwas unkonventionell geformten, jedoch keineswegs unästhetischen Høka-Wagen ein 87-fach verkleinertes „Denkmal“ zu setzen.
Übrigens: Drei Triebwagen werden in Oslo als historische Fahrzeuge aufbewahrt. Denkmäler gibt es also auch im Original.
 
     
     
  Literatur

Andersen, Bjørn und Kjenstad, Rune: „INNGANG BAK“ - Boken om Høka-trikkene i Oslo og Trondheim,
                                                       Forlaget Lokaltrafikk, Oslo 2000.

Fristad, Hans Andreas: „OSLOTRIKKEN I NÆRBILDE“ - Osloer Straßenbahn im Brennpunkt, AS Oslo
                                   Sporveier / Gyldendal Norsk Forlag 1994.